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  • AutorenbildAntje Bek

China: Corona-Zeit, Gesetze und Regeln - Erfahrenes und Erfahrungen




Im April 2023 war ich nach China eingeladen, um in Peking mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines einjährigen Ausbildungskurses drei Wochen zum Thema „Waldorfpädagogik“ zu arbeiten. Von meinen Erfahrungen und Erlebnissen im fernen Osten berichte ich mit einer kleine Reihe von Beiträgen.


Kochtopfgesetz

Kaum angekommen in China interessierte mich als erstes, wie die Corona-Zeit in China erlebt worden war. Ich bekam den Eindruck, dass es im letzten Herbst (2022) zwei bis drei schlimme Monate gegeben hatte: Alle drei Tage testen, abgeriegelte Dörfer und Stadtteile: Die neu installierten, aber jetzt immer offenen Schranken, konnte ich noch sehen. Und es gab sie, die in ihren Wohnungen eingeschlossene Menschen. Die Wohnungstüren wurden mit elektronischen Schlössern verriegelt. Öffnete man dennoch die Tür, war binnen kürzester Zeit, bevor man noch das Haus verlassen konnte, die Polizei vor Ort und man wurde festgenommen. Auch in Peking, nicht nur in Shanghai, waren Menschen auf diese Weise in ihren Wohnungen eingesperrt. Eines Tages stattete Präsident Xi den Eingesperrten einen Besuch ab, natürlich mit entsprechendem Pressetross, um zu zeigen, dass die Bewohner von der Regierung gut mit Lebensmitteln versorgt wurden (was auch geschah.) Die Bewohner der Häuser hatten sich über eine WeChat-Nachbarschaftsgruppe verständigt: Bei geöffneten Fenstern wollten sie laut ihre Kochtöpfe gegeneinander schlagen, um gegen ihre Situation zu protestieren. So geschah es auch. Ungefähr 15 Menschen wurden festgenommen, manche sind noch immer in Haft.


In der Bevölkerung macht man sich über das nun so genannte „Kochtopfgesetz“ inzwischen lustig. Wie überall gab es aber auch in dieser Situation für Menschen mit entsprechenden Beziehungen oder Positionen Ausnahmeregelungen... Die einen blieben über Wochen eingesperrt, die anderen nur zwei Tage. Wieder andere hatten Glück, dass ihre Stadt oder ihr Viertel davon gar nicht betroffen war.


Es gab auch Einrichtungen, die der Quarantäne dienten, an solchen sind wir vorbei gefahren, sie stehen inzwischen leer. Die Menschen, die dort untergebracht wurden, wurden medizinisch nicht wirklich versorgt, es waren „Aufbewahrungslager",wo es für 300 Menschen nur eine Toilette gegeben haben soll.


Keine Ausgrenzung Ungeimpfter

Das waren schlimme Monate in China, von denen auch bei uns in den Medien berichtet wurde. Ansonsten gab es ähnliche Maßnahmen wie bei uns während der Lockdowns, mit Maskenpflicht, Schulschließungen etc. Was es allerdings nicht gab, war die Einteilung in Geimpfte und Ungeimpfte und die damit zusammenhängenden Diskriminierungen der Ungeimpften, die in Deutschland z.B. die wieder geöffneten Restaurants, Weihnachtsmärkte, Kleiderläden nicht betreten durften oder sich in bestimmten Berufen impfen lassen mussten, wenn sie ihre Berufstätigkeit nicht aufgeben wollten. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass in China kein experimenteller mRNA-Impfstoff, also kein genbasierte Impfstoff verwendet wurde, sondern ein virenbasierter, also ein eher „traditioneller“ Impfstoff. Sogar die Tagesschau wunderte sich vor knapp einem Jahr, dass China nun doch keine Impfpflicht einführt, wo doch gerade in China keine Meinungsfreiheit herrsche und die Regierung dennoch erstaunlicherweise auf den Unwillen der Bevölkerung reagiert hatte. Es hatte in den sozialen Medien heftigen Protest gegen eine Impfpflicht gegeben, die Voraussetzung für den Besuch von Museen, Büchereien, Fitnessstudios, Kinos und Konzerten werden sollte...[1] Bei uns wurde aber gerade das tatsächlich - trotz entsprechender Proteste - umgesetzt!


Schulen ohne Masken

Da sind wir gleich beim nächsten Thema: Wie geht man in China mit der Einhaltung von Gesetzen und Regeln um? Ich war mit dem Gefühl nach China gefahren, dass man dort superstreng ist und penibel auf die Einhaltung der Gesetze achtet, kein Entkommen sozusagen. So muss es in einem autoritären Staat sein, in dem keine Meinungsfreiheit herrscht. Aber dann: An manchen Waldorfschulen wurden während der gesamten Corona-Zeit - trotz entsprechender Vorgaben - keine Masken getragen (und natürlich auch sonst keine Abstandsregeln, Singverbote, Sprechverbote etc.). Das war kein Problem. Erstaunlich, trotz Kameras auf dem Gelände, trotz vieler unterschiedlicher Eltern. Zudem gibt es für jede Einrichtung einen Polizisten, der für diese Einrichtung zuständig ist. Jeden Morgen sah ich das Foto des freundlich aussehenden Mannes, zu dem die Schule ein gutes Verhältnis pflegt, wenn ich das Seminargebäude betrat.


Die 24-Stunden-Regel

Im Hinterkopf einen autoritären Staat erschrak ich sehr, als mir nach einer Woche der bereits erwähnte Zettel, der sich seit des Grenzübertritts in meinem Pass befand, in die Hände fiel. Dort war zu lesen, dass man sich binnen 24 Stunden nach Ankunft bei der nächsten Polizeistation zu melden hatte. Ich wandte mich gleich an die Verantwortlichen. Man beruhigte mich: Die werden ein bisschen „Du, du, du machen und dann ist das erledigt.“ Richtig vermochte ich das nicht zu glauben. Man informierte über WeChat schonmal im Voraus den erwähnten Polizisten. Da Wochenende war und kein Übersetzer greifbar, dauerte es nochmal zwei Tage, sodass ich erst 10 Tage nach Ankunft in der Polizeistation aufschlug. Dort galt – und das war in China für mich das einzige Mal – noch Maskenpflicht. Der Polizist, der am Eingang stand, trug aber selbst keine Maske... In der Polizeistation trugen alle Maske, wie überhaupt in China alle, die irgendwie einen etwas offizielleren oder öffentlicheren Posten inne hatten, Maske trugen. Die Verkäufer in den Geschäften allerdings wieder nicht, so ganz war es nicht zu durchschauen. Die Stewardessen, die mir deshalb ein wenig leid taten, trugen auf dem mehr als zehnstündigen Rückflug mit Air China FFP2-Masken, während die Passagiere keine Masken trugen. Also, jedenfalls in der Polizeistation mit Maske.


Es fing natürlich gleich schwierig an, viel wichtiges Hin- und Hergelaufe, Telefonate etc. Dann sollte ich in den Nebenraum, man wollte ein Foto von mir machen. Ich war irritiert, als man verlangte, dass ich meine Ohrringe abziehen solle. Es kam eine andere Polizistin und meinte, das wäre nicht nötig. Die Diskussionen am Schalter gingen weiter. Da ich mich daran nicht beteiligen konnte, wurde ich auf einer Bank platziert. Dann musste erst eine der Verantwortlichen, die mich begleitet hatten, raus und draußen ein Gespräch mit einem Polizisten führen, dann die andere. Zwischendurch wurde ich immer wieder beruhigt, es würde schon alles gut gehen. Das konnte ich bei den lautstarken Auseinandersetzungen nicht ganz glauben... Schließlich wurde ich geholt, darauf hingewiesen, dass ich mich binnen 24 Stunden zu melden hätte, dass ich hiermit verwarnt sei und mich beim nächsten Mal auf jeden Fall innerhalb der Frist melden müsste. Dann sollte ich ein auf chinesisch verfasstes Schreiben unterschreiben, was ich tat, damit war dann alles erledigt. Erst später fragte ich nach, was denn da überhaupt drin gestanden hatte. Es war eben diese Verwarnung gewesen. Also: Ein bisschen schimpfen, ein paar Diskussionen, dann ist die Sache aber doch erledigt.


Gesetze gelten nur tagsüber

Ebenfalls wunderte ich mich, als ich in der ersten Nacht von lautem LKW-Verkehr geweckt wurde. Die Straße war ca. 100 Meter entfernt und ich fragte mich, welche LKW in der Nacht solchen Lärm machen konnten. Ich stopfte mir die Ohren zu und war viel zu müde, um mich davon weiter wach halten zu lassen. Am nächsten Tag fragte ich nach. Man erzählte mir, dass in dem Viertel nebenan nachts illegal Sand mit den LKW´s abtransportiert wurde, den man – auch mehr oder weniger illegal – woanders benötigte. Deren Fahrweg führte quasi direkt an meiner Behausung entlang. „Die Gesetze gelten in China nur tagsüber, nachts nicht.“ Also, es war eine illegale Aktion, die natürlich nicht verborgen bleiben konnte. Tagsüber aber hätte man das nicht machen können, nachts jedoch ging es... Schwer zu verstehen für uns Deutsche.


Regeln beim Konzertbesuch

In diesen Zusammenhang gehört noch ein weiteres Erlebnis, das ich in der Konzerthalle in Peking hatte. Es wurde Brahms gespielt. Vor Beginn der Veranstaltung wurde man mehrfach über Lautsprecher darauf hingewiesen, dass man während des Konzertes nicht essen und trinken darf und keine Filmaufnahmen gemacht werden dürfen. Das Konzert fing an. In den Sitzreihen nebenan begann nun das Leben. Ein junges Pärchen unterhielt sich pausenlos und nicht zu überhören. Es machte Filmaufnahmen mit dem Handy und verschickte Nachrichten, was man anhand des Geräusches, das die ausgehenden Nachrichten machten, unschwer erfuhr. Dahinter eine Familie, deren Kinder sich ebenfalls, aber nicht durchgängig, unterhielten.


Ich wunderte mich: Niemand in der Umgebung dieser Menschen sagte etwas, scheinbar seelenruhig blickten alle weiter nach vorne und lauschten dem Konzert. Wir Deutschen hielten es irgendwann nicht mehr aus und wechselten die Plätze, zum Glück war einiges frei. Später fragte ich Xu Yan (gesprochen: Schü Jen), unsere Übersetzerin, wie das denn für sie war. Ob sie das nicht gestört hätte und warum die Menschen, die direkt neben dem Lärm saßen, nichts gesagt hätten. Sie sagte mir, dass man das in China nicht macht. Man ermahnt seine Mitmenschen nicht, selbst wenn es einen stört, das lässt man sich dann nicht anmerken.


Nicht von seinen Mitmenschen unfreundlich zurechtgewiesen zu werden oder keine mehr oder weniger eindeutigen Gesten beim Autofahren zu ernten – na, das hätte doch auch etwas hier in Deutschland?! Es wurde aber im Konzertsaal von den Türwächtern durchaus für Ordnung gesorgt, wie wir es später auf einem anderen Platz miterlebten. Wir hatten nur das Pech gehabt, dass im ersten Teil des Konzertes kein Türwächter in unserer Nähe war...


Fazit

Mein Gefühl bezüglich der Gesetze in China bleibt diffus. Wie, wo und wann es streng wird, ist für mich als Ausländerin nicht klar. Vieles nimmt man nicht so genau oder nur manchmal genau. Jedoch ist mir klar geworden, dass es so strikt, wie wir es uns hier in Deutschland vorstellen, doch nicht in China zugeht. Die 24-Stunden-Regel werde ich beim nächsten Mal aber auf jeden Fall einhalten...


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