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AutorenbildAntje Bek

Vom seelischen Zappelfritzen: Wo ist nur mein Schlüssel?

Wider die Vergesslichkeit


Eine kleine Übungsreihe für Erwachsene, Jugendliche und Kinder zum Thema: Stress und Selbstbestimmung - Teil 4




Im letzten Beitrag[1] haben wir uns bereits mit der Frage der Lebenskräfte und dem damit verbundenen Energiefeld/Lebensleib beschäftigt. Stress in jeglicher Form schwächt diese Lebenskräfte und kann zu Burnout, aber auch zu psychosomatischen Erkrankungen wie Verdauungsproblemen, Problemen mit dem Herzrhythmus, Ohrgeräuschen etc. führen.


Was ist es aber in seiner Tiefe, das den Stress und die damit verbundene Schwächung unserer Gesundheits- und Lebenskräfte bewirkt? Fangen wir einmal andersherum an: Immer dann, wenn wir uns mit unserem innersten Wesenskern, mit unserem Ich, ganz mit dem verbinden oder identifizieren können, was wir tun, dann stärken wir unsere Lebenskräfte. Das können wir unmittelbar erleben: Wir fühlen wir uns in diesem Falle beschwingt und belebt. Immer dann, wenn wir uns nicht mit dem verbinden können, was wir tun, schwächen wir unsere Lebenskräfte.


Wir „üben" Vergesslichkeit: Prüfungen, Stundenplan und Medien

Schauen wir in diesem Zusammenhang einmal auf Schule und Studium. Wie viel müssen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für Prüfungen, aber auch generell im Unterricht, „lernen“, was sie kurz danach wieder vergessen wollen, können und auch dürfen – denn das meiste davon ist nur für die Prüfung relevant. Wir „üben“ durch das Prüfungswesen in Schule und Ausbildung geradezu die Vergesslichkeit, denn die jungen Menschen können sich mit dem „Stoff“, den sie da wiedergeben oder bearbeiten sollen, innerlich nicht wirklich verbinden. Andererseits trägt dazu auch der durchgetaktete Stundenplan bei, durch den man sich alle 45 Minuten mit anderen, untereinander in keinem Zusammenhang stehenden Gedanken beschäftigen soll, nichts kann über einen längeren Zeitraum wirklich vertieft werden. Das führt zu einer inneren Unruhe und dadurch zu dem, was Rudolf Steiner in seinem Vortrag vom 11. Januar 1912 als „seelischen Zappelfritzen[2] bezeichnet. Diese Art der Unruhe muss nicht äußerlich sichtbar sein, sie wird aber innerlich, d.h. seelisch erzeugt. Ganz zu schweigen von all dem, was die Medien inzwischen in dieser Hinsicht bewirken können. Inwiefern eine unkritische und ungebremste Mediennutzung mit Stress, also letztlich dem Verlust unserer Lebenskräfte, sowie Gedächtnisverlust bis hin zur Demenz in Zusammenhang steht, hat der Hirnforscher Manfred Spitzer schon im Jahr 2012 mit seinem Buch „Digitale Demenz – wie wir unsere Kinder um den Verstand bringen“ dargestellt.


Gibt es „Gegenmittel"?

Da wir vieles im Außen zunächst einmal nicht ändern können und vieles unter gewissen Gesichtspunkten auch seine Berechtigung hat, ist die Frage, wie wir selbst einen Ausgleich schaffen können. Dazu kann es hilfreich sein, zu verstehen, was durch die oben beschriebenen Umstände eigentlich in den Tiefen der Menschennatur geschieht.


Lebenskräfte und Gedächtnis

Der charakterisierte Energieleib hängt nicht nur mit der Lebendigkeit unseres Körpers zusammen, sondern dort werden auch all unsere Erlebnisse eingeprägt, auch die aus unserer frühesten Kindheit, an die sich die meisten Menschen nicht mehr erinnern können. Erst beim Tod, bei dem sich dieser Energieleib von unserem physischen Körper loslöst – bzw. in manchen Fällen auch bei Nahtodeserfahrungen – stehen diese Erinnerungen, d.h. unser ganzes bisheriges Leben wie in einem Panorama vor uns, wie wir von vielen Berichten Nahtoderfahrener inzwischen wissen. Es geht also nichts verloren, aber wir bekommen vieles davon, solange wir in unserem physischen Leib leben, nicht in unser Bewusstsein. Die Möglichkeit uns zu erinnern, d.h. diesen Bewusstwerdungs-Prozess vollziehen zu können, hängt u.a. mit unseren Lebenskräften zusammen. Wenn die Lebenskräfte schwinden, weil wir ständig etwas tun, mit dem wir uns nicht wirklich verbinden (können), dann werden die noch vorhandenen zunächst für die Erhaltung des Körpers benötigt und es stehen weniger Kräfte für die Möglichkeit der Erinnerung zur Verfügung. Das kann schließlich zu einer erhöhten Vergesslichkeit führen.


Viele der Achtsamkeitsübungen, die in den letzten Jahren sehr populär geworden sind, sollen und können bewirken, dass wir uns bewusst mit dem verbinden, was wir tun oder wahrnehmen, eben achtsam werden. Letztlich führen sie dadurch auch zur Kräftigung und Stärkung unserer Lebensenergie.


Sich ein inneres Bild machen

Nun hat Rudolf Steiner eine weitere Übung – neben der die Schrift zu verändern[3] – angegeben, mit der wir unsere Lebenskräfte stärken können. Üben wir durch das Verändern der Schrift etwas, das unser Handeln (also das Schreiben) verändert, bewirkt die in diesem Beitrag behandelte Übung eine Veränderung, die wir innerlich erleben können. Wir nehmen eine Situation an, die vermutlich der ein oder andere kennt. Man sucht immer wieder dasselbe: Den Schlüssel, die Uhr, das Handy etc. Man hat also vergessen, wo man sie hingelegt hat. Nun könnte man daran natürlich durch eine äußere Maßnahme etwas ändern, indem man den Schlüssel immer ans Schlüsselbrett hängt oder an ihm etwas befestigt, das Geräusche von sich gibt, wenn man ihn „ruft“. Das vermeidet zwar größere Suchaktionen, führt aber nicht zur Verbesserung der eigentlich zugrunde liegenden Ursache für die Vergesslichkeit. Wir vergessen, wo wir diese Gegenstände abgelegt haben, weil wir in dem Moment gar nicht richtig bei der Sache waren, vielleicht schon in Gedanken beim nächsten, der „seelische Zappelfritze“ regt sich.


Nun können wir folgende Übung machen: Wenn wir das nächste Mal den Schlüssel – als Beispiel – ablegen, dann machen wir uns innerlich ein möglichst genaues und lebendiges Bild von der Umgebung, in der er jetzt liegt. Wie sieht z.B. die Unterlage aus? In welchem Winkel haben wir ihn dort abgelegt, wie liegt er also dort? Was liegt noch direkt daneben? Wir gehen dann von diesem Ort weg und haben durch innere Aktivität ein Bild erzeugt (das unsere Augen übrigens immer sehen!), welches uns dann, wenn wir den Schlüssel wieder brauchen, „einfällt“, daran können wir uns dann erinnern, zumindest, wenn wir diese Übung wiederholen. Wir legen nicht wie „bewusstlos“ etwas ab, sondern verbinden uns mit dem, was unsere Hände tun, indem wir innerlich ein Bild schaffen, das mit unserer Tat in Zusammenhang steht. Diese innere Aktivität stärkt unsere Lebenskräfte und damit auch unsere Erinnerungsfähigkeit. Rudolf Steiner erwähnt, dass sich durch diese Übung, wenn wir sie über eine gewisse Zeit praktizieren, die Vergesslichkeit generell abnehmen kann.


Bildhafter Unterricht stärkt das Gedächtnis

Die beschriebene Aktivität, also sich innerlich ein Bild zu schaffen, fällt Kindern noch wesentlich leichter als uns, sie leben noch in inneren Bildern, sie sehnen sich zutiefst danach. Wenn wir also mit jüngeren Kindern – aber auch für Jugendliche gilt das noch in gewissem Maße – den Unterricht so gestalten wollen, dass sich ihre Lebens- und Gedächtniskräfte möglichst gesund entwickeln können, dann wird verständlich, warum dazu gerade ein bildhafter Unterricht beitragen kann. Wenn im Unterricht innere Bilder entstehen, kann sich das Kind mit seinem ganzen Wesen damit verbinden, dann sind auch seine Gefühle – und nicht nur der Kopf – angesprochen. Und wir wissen selbst, dass wir uns an Erlebnisse, die mit starken Gefühlen verbunden waren, am besten und leichtesten erinnern können. Wenn dann noch – wie zumindest im so genannten Epochenunterricht an Waldorfschulen – über längere Zeit an einem Thema und in weitestem Sinne an einem Gedanken gearbeitet wird, dann stärkt das ebenfalls die Lebenskräfte sowie das Gedächtnis der Kinder – und auch der Lehrer…


 

[1] Antje Bek, Antistressprogramm: Handschrift ändern, https://www.antje-bek.de/post/antistressprogramm-schrift-ändern [2] Rudolf Steiner, Erfahrungen des Übersinnlichen Die drei Wege der Seele zu Christus, Vierzehn Vorträge, gehalten zwischen Januar und Dezember 1912 in verschiedenen Städten, GA 143, Vortrag vom 11. Januar 1912, S. 10

[3] Rudolf Steiner, Erfahrungen des Übersinnlichen Die drei Wege der Seele zu Christus, Vierzehn Vorträge, gehalten zwischen Januar und Dezember 1912 in verschiedenen Städten, GA 143, Vortrag vom 11. Januar 1912, S. 17f. Foto: Susan Holt Simpson / Unsplash


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