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  • AutorenbildAntje Bek

Antistressprogramm: Handschrift ändern

Für Erwachsene und Schulkinder


Eine kleine Übungsreihe für Erwachsene, Jugendliche und Kinder zum Thema: Stress und Selbstbestimmung - Teil 3


Handschrift ändern wirkt Stress entgegen


In den letzten beiden Beiträgen[1] haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie wir mit den Kräften, Bedürfnissen und Wünschen, die aus unserem seelischen Inneren aufsteigen, bewusst umgehen können, sodass unsere Taten und Entscheidungen selbstbestimmt, d.h. von unserem Ich gelenkt und ergriffen sind.


Stress und Lebenskräfte

In diesem Beitrag soll es um die Frage der Gesundheits- und Lebenskräfte gehen, die allerdings durchaus mit den zuvor beschriebenen Fragestellungen zusammenhängen. Wenn wir im negativen Sinne gestresst sind, dann liegt das Phänomen vor, dass wir in gewisser Weise wie von „außen“ gesteuert werden. Reizüberflutung, zu viele Erwartungen und Aufgaben, die wir erfüllen müssen, Beziehungen, die uns überfordern, oder auch eine Arbeit, mit der wir uns nicht wirklich identifizieren können, etc. Während wir die eine Sache erledigen, sind wir mit dem Kopf schon bei der nächsten: Wir sind in gewisser Weise nicht mehr „Herr“ unseres Lebens. Diese oder ähnliche Situationen wird jeder aus eigenem Erleben kennen. Hält eine derartige Situation über einen längeren Zeitraum an, dann kann ein zunächst situativer Stress in einen Zustand übergehen, der heute als „Burnout“ bezeichnet wird. Man ist ausgebrannt, erschöpft, erledigt, nichts geht mehr. Das, was da ausbrennt, sind unsere Lebenskräfte, unsere Lebensenergie, die unseren physischen Leib am Leben erhält und ihn bis in jede Zelle hinein energetisiert – auch in der Nacht, wenn wir schlafend im Bett liegen. Wenn wir sterben, zieht sich diese Energie aus unserem Körper heraus, übrig bleibt der menschliche Leichnam, der bald der Zersetzung durch die irdischen (z.B. chemischen) Kräfte anheim fällt. Rudolf Steiner hat für diesen „Energieleib“ auch den Begriff des Lebensleibes oder Ätherleibes benutzt. Der Zustand unseres Lebensleibes hängt mit unseren Gesundheitskräften zusammen. Wenn diese Kräfte sehr geschwächt werden, wie u.a. beim Burnout, dann kommt es zu vielfältigen seelischen und körperlichen Symptomen.


Stress und Bewegungsführung

In einem Zustand, in dem wir sehr gestresst sind, werden wir auch bemerken können, dass sich dies auf unsere Bewegungen auswirkt: sie werden fahrig. Was der Körper normalerweise mit harmonischen Bewegungen ausführt, kann in solchen Situationen von uns selbst oder von anderen als unharmonisch, übertrieben oder unüberlegt wahrgenommen werden. Der physische Körper scheint zu machen, was er will, er beginnt ein Eigenleben zu führen, was mit der Schwächung der Lebenskräfte zusammenhängt. Zum natürlichen Alterungsprozess gehört es, dass diese Kräfte abnehmen (und dann für geistig-seelische Bewusstseinsprozesse zur Verfügung stehen[2]). Die Bewegungen des alten Menschen verändern sich, was sich auch in der Handschrift niederschlägt. Sie wird eckiger, stockender, wirkt nicht mehr so harmonisch und schwungvoll wie sie vielleicht in jüngeren Jahren war. Jeder kann aber auch bei sich selbst bemerken, wie sein seelischer und vor allem gesundheitlicher Zustand Auswirkungen auf seine Handschrift hat.


Handschrift und Lebenskräfte

Wie können wir das verstehen? Das Schreiben mit der Hand ist etwas, das wir als Kind mit sehr viel Aufmerksamkeit erlernt haben. Wie mühen sich die jungen Schulkinder damit ab! Im Laufe der Zeit aber benötigen wir dafür keine Aufmerksamkeit mehr, die Handschrift ist zu unserer individuellen Handschrift geworden, die ganz in unsere Gewohnheit übergegangen ist. Wie „von selbst“ schreiben wir. Solange unser Lebensleib den physischen Leib mit satter Kraft dirigieren kann, bleibt unsere Handschrift mehr oder weniger harmonisch. Nehmen aber die Lebenskräfte ab, dann beginnt der Körper unsere Bewegungen zu beherrschen und sie werden unharmonischer, verkrampfter oder wir machen gar zusätzliche Bewegungen, die mit dem eigentlichen Schreib- oder Bewegungsprozess gar nichts zu tun haben. Das, was bisher für die Handschrift beschrieben wurde, gilt für alle Bewegungen, die wir ausführen, sie sind nur beim Schreiben besonders gut zu beobachten, weil sie in dem, was dann auf dem Papier zu sehen ist, ihren Niederschlag gefunden haben. Am deutlichsten wird die „Eigentätigkeit“ des Körpers dann, wenn wir in Krampfzustände (z.B. Wadenkrampf) geraten, da macht er, was er will, da hat er die „Oberhand“ über den Lebensleib gewonnen, der uns fließende, harmonische und geführte Bewegungen ermöglicht.


Die Handschrift verändern

Wenn wir nun etwas für unsere Lebenskräfte tun wollen, wenn wir unseren ermatteten Lebensleib stärken wollen, dann können wir etwas aufgreifen, was wir selbst beim Erlernen des Schreibens schon einmal in unserem Leben getan haben: Wir wenden dem, was wir seit Jahren oder Jahrzehnten wie „automatisch“ tun, wieder unsere volle Aufmerksamkeit zu, aber nicht nur die Aufmerksamkeit. Wir verändern übend unsere Handschrift. Wir schreiben die einzelnen Buchstaben anders, als wir es bisher getan haben. Dazu können wir uns jeden Tag z.B. 10 Minuten vornehmen, in denen wir vielleicht zunächst einzelne Buchstaben anders schreiben und im Laufe der Zeit zum (Ab-)schreiben von Wörtern, Sätzen und Texten übergehen. Wir verwenden nun also nicht nur Aufmerksamkeit auf das, was wir tun, sondern wir verändern eine Gewohnheit. Dadurch wird der Lebensleib, in dem sich die Gewohnheiten wie „gespeichert“ befinden, aufgefordert aktiv zu werden. Wir aktivieren ihn, indem er nun eine neue Gewohnheit „anlegen“ muss. Das stärkt die Lebenskräfte wiederum, das belebt unsere ganze Lebensenergie.


Schrift ändern für Kinder

Rudolf Steiner schlägt diese Art der Gewohnheitsänderung nun auch für Kinder vor, die sich bereits über eine gewisse Anzahl von Jahren ihre Handschrift erarbeitet haben.[3] Bei kleinen Kindern ist der oben charakterisierte Lebensleib noch abhängig von ihrer Umgebung, bei Schulkindern bis ca. 14 Jahren individualisiert er sich, es entwickeln sich u.a. die bleibenden Gewohnheiten, so auch die individuelle Handschrift. Als Pädagogen können wir diese Entwicklungszeit der Kinder dafür „nutzen“ den sich entwickelnden Lebenskräfteleib zu stärken, sodass die Kinder mit einem kraftvollen individuellen Energiefeld in ihr weiteres Leben gehen können. Wenn sie also eine gewisse Zeit ihre Handschrift geübt haben, dann kann man eine neue Schrift einführen.[4] Dafür eignet sich nach meiner Erfahrung insbesondere die vierte oder fünfte Klasse gut. Man kann z.B. mit Kalligrafie (Kunst des Schönschreibens)[5] beginnen. Mit Feder und Tusche werden schöne Buchstaben in einer besonderen Schriftart geformt und man kann es mit den Kindern so weit bringen, dass sie auf diese Weise auch längere Texte schreiben können. Ich selbst habe das als Kind – ohne Waldorfschülerin zu sein – auch erlebt, wir haben damals im 4. Schuljahr die deutsche Schrift gelernt. Ich konnte sie so gut, dass ich fließend Texte schreiben konnte, die meine Eltern nicht lesen konnten…


Formenzeichnen und Lebenskräfte

An dieser Stelle können wir noch einen Blick auf das Formenzeichnen werfen, das an den Waldorfschulen dem Schreibenlernen zunächst vorausgeht und dann über drei bis vier Schuljahre weiter praktiziert wird. Die Kinder zeichnen anfangs ganz einfache Formen, wie eine gerade oder eine gebogene Linie, später werden die Formen differenzierter und komplexer. Man kann gut beobachten, dass viele Kinder zunächst dazu neigen, die Linien nicht in einem Schwung zu ziehen, sondern in vielen kleinen ruckartigen Strichlein. Hier sieht man, dass der Körper noch macht, „was er will". Die Lebenskräfte haben ihn noch nicht wirklich durchdringen können. Es macht daher Sinn, mit den Kindern immer wieder an einer harmonischen Bewegungsführung zu üben. In der „Luft“, auf dem Boden, im Sand, über dem Papier und zum Schluss auf dem Papier. Auf diese Weise wird der Lebensleib gestärkt und das Kind erlebt, dass seine Hand immer mehr dem folgen kann, was es sich im Inneren an Formvorstellung gebildet hat. Das nennt man heute auch das Erleben von „Selbstwirksamkeit“, das macht gesund und entstresst!

 

[1] Siehe: Antje Bek, Ich will – Ich schaff´s nicht, https://www.antje-bek.de/post/ich-will-ich-schaff-s-nicht und Mein eigener Coach werden! https://www.antje-bek.de/post/mein-eigener-coach-werden [2] Inwiefern diese Verwandlung der Lebenskräfte im Alter tatsächlich auch stattfindet, hängt allerdings von der inneren Aktivität des Menschen ab. Dies ist kein natürlicher Prozess mehr, sondern ist ganz in die Freiheit des Einzelnen gestellt. [3] s. Rudolf Steiner, Erfahrungen des Übersinnlichen Die drei Wege der Seele zu Christus, Vierzehn Vorträge, gehalten zwischen Januar und Dezember 1912 in verschiedenen Städten, GA 143, Vortrag vom 11. Januar 1912, S. 22 [4] Vielleicht hat so mancher die Beobachtung gemacht, dass die Schüler in einem bestimmten Alter (12 bis 13/14 Jahre) von sich aus ihre Handschrift ändern. Sie können diesen Individualisierungsprozess nun aus eigener innerer Aktivität in die Hand nehmen. [5] s. z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=zgSM2BBgUcc sowie entsprechende Literatur zum Thema Foto: Hannah Olinger /Unsplash








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