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Pädagogik auf Distanz – Geht das?

Von Antje Bek


Unterricht auf Distanz – auf diese Formulierung hat man sich behördlicherseits geeinigt, um eine neu kreierte „Unterrichtsform“ zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang wurde vom Schulministerium NRW bereits im Frühjahr vergangenen Jahres ein ausführliches „Impulspapier“ für diesen Unterricht der Zukunft ausgearbeitet, das „impulsgebend für Seminarausbilderinnen und Seminarausbilder an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung“ sein soll! [1]


Gemeint ist ein Schulunterricht, bei dem sich Lehrer und Schüler nicht mehr im selben Raum befinden. Unterricht auf Distanz kann durch eine massive Ausweitung dessen umgesetzt werden, was bisher „Hausaufgaben“ genannt wurde oder er findet am Bildschirm statt, etwa im Rahmen einer digitalen „Zoom-Konferenz“ bzw. mit digitalen Lerntools/-apps.


Homeschooling – kein Unterricht auf Distanz!

Diese Art des Unterrichtes wird irrtümlicherweise auch „Homeschooling“ genannt. Das trifft schon aus dem Grund nicht zu, weil „Homeschooling“ in Deutschland verboten ist. Es herrscht hierzulande „Schulbesuchspflicht“. Die Schulbesuchspflicht steht in Deutschland so hoch, dass auch Kinder, deren Eltern sich dem Zwang entziehen ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen, die Schule besuchen müssen – Schulpflicht steht über Impfpflicht! Allerdings müssen Eltern in diesem Falle mit einem Buß-/Zwangsgeld von bis zu 2.500 Euro rechnen.[2]


Homeschooling ist dagegen eine Unterrichtsform, die von Eltern oder anderen Menschen (zuhause) konzipiert, durchgeführt und verantwortet wird, also von Menschen, die in direktem Kontakt mit den Kindern stehen. Homeschooling ist in den meisten europäischen Ländern unter bestimmten Bedingungen erlaubt.


Beim Unterricht auf Distanz haben wir es dagegen mit einer Unterrichtsform zu tun, bei der die Lehrer die Schüler zuhause digital unterrichten oder/und den Schülern auf elektronischem Wege, ggf. auch persönlich, Aufgaben erteilen, die dann selbständig erledigt werden sollen. Sofern diese von den Schülern nicht selbstständig erledigt werden können, wird auf die Unterstützung der Eltern gesetzt, die die Intentionen der Lehrer in Form der Aufgaben mit den eigenen Kindern bearbeiten. Viele Eltern haben dies bereits während der Zeit des ersten Lockdowns als enorme Herausforderung und Belastung erlebt, die zusätzlich zum „Homeoffice“ zu bewältigen war.


281 Millionen Euro für digitale Endgeräte

Nach den aktuellen Vorgaben durch das Schulministerium NRW wird der digitale Unterricht – anders als im ersten Logdown - genauso benotet wie der Präsenzunterricht. Bisher sollte Kindern kein Nachteil aus dieser Form des Unterrichtes erwachsen, daher flossen „schlechte Leistungen“ nicht in die Schulnote ein.[3] Um auch sozial benachteiligten Schülern die Teilnahme am digitalen Unterricht zu ermöglich, wurden 178 Millionen Euro bereitgestellt, damit alle Schüler, bei denen ein entsprechender „Mangel“ noch besteht, mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden können. Für Lehrkräfte wurden 103 Millionen Euro bereitgestellt, um sie mit Computer oder Laptop auszustatten. Bereits während der Sommerferien sollten diese Geräte von den Schulen bestellt werden, noch bevor die entsprechende Verordnung ausgearbeitet war.[4] So gab es bereits im Sommer 2020 deutliche Hinweise darauf, dass Distanzunterricht für die Zukunft vorgesehen ist.


„Beruhigend“ ist, dass im erwähnten „Impulspapier“ nur am Rande von Pädagogik, hauptsächlich von Unterricht die Rede ist.


Waldorfpädagogik und Unterricht

So wie während des ersten Lockdowns werden sicherlich wieder alle Waldorflehrer*innen ihr Bestes geben und sich bemühen das Beste aus der Situation zu machen. Sie werden sinnvolle Aufgaben erteilen, mit einzelnen Schülern z.B. über Telefon Kontakt halten oder sie zum Abholen der Aufgaben in die Schule bitten. Manche werden auch Videos für ihre Schüler drehen oder Unterricht per Zoom-Konferenzen abhalten. Diese Bemühungen werden von den Schülern sicherlich geschätzt werden!


Allerdings ist und bleibt Pädagogik auf Distanz ein Ding der Unmöglichkeit, darüber sollte man sich bei allem, was man an Bestem geben kann, nicht hinwegtäuschen! Den Widersinn einer solchen Formulierung würde man wohl – zumindest aktuell noch - gleich einsehen, wenn man von Eltern verlangen würde, nun „Pädagogik auf Distanz“ zu leben, ihre Kinder per Bildschirm zu erziehen und online Aufgaben zu erteilen wie „Du bringst heute bitte den Müll zur Mülltonne“, für deren Umsetzung dann die Lehrer in der Schule zu sorgen hätten, wenn das Kind dies nicht „selbständig“ erledigt.


Waldorfpädagogik ist eine Pädagogik und Unterricht gerade kein Selbstzweck, bei dem es vor allem darum geht, dass das Kind Mathematik und Deutsch lernt, sondern der Unterricht sowie die vielfältigen kognitiven, künstlerischen und praktischen Inhalte selbst dienen der Ausbildung dessen, was an Potential im Kind veranlagt ist und sich täglich entwickeln möchte. Werden Lehrer daran gehindert, die Entwicklung der Kinder mitzuerleben, indem sie diese nur noch isoliert von ihren Mitschülern, sowie i.d.R. sitzend und lediglich vom Kopf bis zum Bauchnabel als kleines oder größeres Bildchen auf einem Bildschirm sehen sowie darüber hinaus noch stumm schalten, ist Unterricht nur im „Blindflug“ möglich.


Die Wirkung der pädagogischen Intentionen auf die Entwicklung der Kinder können nicht mehr mit den eigenen Sinnen wahrgenommen und täglich korrigiert bzw. angepasst werden! Von einem sozialen Miteinander kann auf diesem Wege ebenfalls nicht gesprochen werden, weil schon der physische Raum, in dem man sich befindet, kein gemeinsamer ist. Abgesehen von den Bildern auf dem Bildschirm und dem Ton aus dem Lautsprecher gibt es keinerlei gemeinschaftliche Sinneswahrnehmungen. Den singenden Vogel, den der eine Schüler durch das geöffnete Fenster hört, hört bei stumm geschaltetem Mikrofon sonst niemand aus dieser „Gemeinschaft“. Verzichtet man auf digitalen Unterricht und beschränkt sich auf das Erteilen sinnvoller Aufgaben, fehlt – für viele (Klassen-)Lehrer sehr schmerzlich - die Wahrnehmung der Schüler gänzlich.


Waldorfschulen müssen gar nicht mehr geschlossen werden, wenn diese Art der Pädagogik unerwünscht ist, „Unterricht auf Distanz“ reicht vollkommen! Nun wird es vor allem auf die Eltern ankommen...



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